Fritsch von der Heyde, Steuerberater
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September 2025
Für Unternehmer
Mit seinem richtungsweisenden Urteil vom 3. Juli 2025 (C-653/23) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass Unternehmen auch nach Ablauf der offiziellen Corona-Förderfristen Anspruch auf staatliche Beihilfen haben können – sofern ihr Antrag rechtzeitig gestellt und nur aufgrund einer fehlerhaften Behördenentscheidung abgelehnt wurde.
Im zugrundeliegenden Fall hatte ein lettisches Unternehmen Corona-Hilfen fristgemäß beantragt, war jedoch zunächst von der zuständigen Behörde abgelehnt worden. Während des anschließenden Klageverfahrens lief die Bewilligungsfrist ab. Der EuGH stellte klar: Die Beihilfe gilt bereits zum Zeitpunkt der rechtswidrigen Ablehnung der Behörde als „gewährt“. Die spätere Auszahlung nach positivem Gerichtsurteil ist daher auch nach Fristablauf zulässig.
Dieser Grundsatz basiert auf zwei Überlegungen:
- Maßgeblich ist nicht der Zeitpunkt der Auszahlung, sondern wann der Antragsteller einen unbedingten Rechtsanspruch auf die Beihilfe hätte haben müssen.
- Effektiver Rechtsschutz (Art. 47 EU-Grundrechtecharta) verlangt, dass Unternehmen nicht durch Behördenfehler und Gerichtsverzögerungen ihren berechtigten Anspruch verlieren dürfen.
Das Urteil hat enorme praktische Relevanz: Auch deutsche Unternehmen mit abgelehnten Corona-Hilfen können sich nun auf das EuGH-Urteil berufen, sofern sie rechtzeitig beantragt und ansonsten alle Bedingungen erfüllt haben. Behörden und Gerichte müssen bei fehlerhafter Ablehnung die Auszahlung der Beihilfe ermöglichen – unabhängig vom Ablauf der ursprünglich vorgesehenen Förderfrist.
Quelle: EuGH, Urteil v. 3.7.2025, C-653/23
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 3. Juni 2025 (IX R 18/24) entschieden, dass bei dem Wegfall der gewerblichen Prägung einer Personengesellschaft und der anschließenden Nutzung überführter Immobilien durch die nun vermögensverwaltende Gesellschaft die Bemessungsgrundlage für die Abschreibungen (AfA) die im Zuge der Betriebsaufgabe steuerlich erfassten gemeinen Werte sind. Dies gilt für die Folgejahre auch dann, wenn die Ermittlung in der Betriebsaufgabe einen unzutreffenden Wert berücksichtigt hat.

Streitpunkt: Abschreibungen nach Statuswechsel
Durch den Wegfall der gewerblichen Prägung werden die Immobilien steuerlich aus dem Betriebsvermögen ins Privatvermögen „überführt“. Für diese Überführung wird ein Wert angesetzt (oft ist das der Verkehrswert). In Zukunft darf auf diesen Wert abgeschrieben werden – das beeinflusst die steuerliche Belastung. Umstritten war die Frage: Welcher Wert ist für diese künftigen Abschreibungen maßgeblich, wenn es später zu einer Änderung des Steuerbescheids aus der Vergangenheit (beispielsweise durch eine Gerichtsentscheidung) kommt. Gilt dann der neue, geänderte Wert „rückwirkend“?

Besondere Bedeutung hat das Urteil hinsichtlich der Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide: Ein rechtskräftiges Urteil, das die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen des Betriebsaufgabejahres ändert, stellt ein „rückwirkendes Ereignis“ gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar. Dadurch können die AfA-Bemessungsgrundlagen in den betroffenen Folgejahren angepasst werden und somit auch die entsprechenden Einkommensteuerfeststellungen.
Mit dieser Entscheidung stellt der BFH klar, dass die steuerlich tatsächlich erfassten gemeinen Werte aus dem Aufgabejahr verbindlich für die AfA in den Folgejahren sind – unabhängig davon, ob der Wert aus damaliger Sicht richtig oder falsch festgestellt wurde. Revision und Klage der Grundstücksgesellschaft blieben damit erfolglos.
Quelle: BFH-Urteil v. 3.6.2025, IX R 18/24
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 19. März 2025 (Az.: XI R 4/22) erneut wichtige Grundsätze zu den Anforderungen an eine Rechnung im Sinne des § 14c Abs. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) und den Haftungsrisiken beim unberechtigten Steuerausweis festgelegt. Dieses Urteil betrifft insbesondere Unternehmen, die im Auftrag Dritter Zahlungen abwickeln und dabei Umsatzsteuer ausweisen.
Im Streitfall hatte eine GmbH für ihre Auftraggeber die Honorarverwaltung übernommen und dabei Honorare an Ärzte im Namen und auf Rechnung der Auftraggeber ausbezahlt. Sie erstellte dafür sogenannte „Abforderungsschreiben“ – Dokumente mit ausgewiesener Umsatzsteuer – an die Auftraggeber. Die Klägerin argumentierte, diese Schreiben seien lediglich Zahlungsanweisungen und keine Rechnungen im Sinne des UStG.

Zentrale Aussagen des BFH-Urteils
Mindestanforderungen an Rechnungen:
Ein Dokument erfüllt die Anforderungen an eine Rechnung im Sinn von § 14c Abs. 2 UStG, wenn es mindestens folgende Angaben enthält: Rechnungsaussteller, (vermeintlicher) Leistungsempfänger, Leistungsbeschreibung, Entgelt und einen gesonderten Ausweis der Umsatzsteuer. Es kann für die Leistungsbeschreibung auf andere Unterlagen Bezug genommen werden.
Berücksichtigung ergänzender Dokumente:
Auch Bezugnahmen auf andere vertragsbezogene Dokumente und zusätzliche Informationen sind bei der Beurteilung, ob eine Rechnung vorliegt, einzubeziehen. Es genügt, wenn die Dokumente im Zusammenhang die abgerechnete Leistung eindeutig und nachvollziehbar beschreiben.
Gefahr des unberechtigten Steuerausweises:
Enthält ein Dokument widersprüchliche oder überflüssige Angaben (z. B. Steuerausweis in einem Zahlungsdokument), die beim Empfänger den Anschein einer abrechenbaren, steuerpflichtigen Leistung erwecken, liegt ein unberechtigter Steuerausweis vor – auch wenn eigentlich keine Leistung zugrunde liegt. In diesem Fall kann das Risiko entstehen, dass der Empfänger unberechtigterweise Vorsteuer geltend macht.
Haftung für Umsatzsteuer:
Derjenige, der eine „Rechnung“ im Sinne des § 14c Abs. 2 UStG erstellt und dort unberechtigt Umsatzsteuer ausweist, schuldet diese Steuer gegenüber dem Finanzamt – unabhängig davon, ob ein materieller Anspruch auf Vorsteuerabzug besteht.
Möglichkeit der Berichtigung:
Die Steuerschuld kann nur durch das Berichtigungsverfahren nach § 14c Abs. 2 UStG wieder beseitigt werden, wenn nachträglich eine Gefährdung des Steueraufkommens ausgeschlossen werden kann. Die Berichtigung ist beim Finanzamt zu beantragen.

Praxishinweise und Empfehlungen
Ausstellung „neutraler“ Zahlungsdokumente:
Achten Sie darauf, dass Zahlungs- oder Abforderungsdokumente im Rahmen der Mittelverwaltung keine gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer enthalten, sofern Sie nicht selbst eine steuerpflichtige Leistung an den Zahlungsempfänger abrechnen.
Leistungsbeschreibung klar gestalten:
Wenn aus organisatorischen Gründen auf andere Vereinbarungen, Bestellungen oder Angebote Bezug genommen wird, stellen Sie sicher, dass die Leistungsbeschreibung eindeutig ist und kein Anlass für einen unberechtigten Vorsteuerabzug entsteht.
Dokumentenprüfung:
Überprüfen Sie Ihre vorgelegten Dokumente darauf, ob durch ihre Gestaltung das Risiko einer unberechtigten Steuerausweis-Haftung entstehen könnte.
Berichtigungsverfahren im Blick behalten:
Im Falle eines versehentlichen, unberechtigten Steuerausweises kann die Berichtigung beantragt werden. Die Zustimmung des Finanzamts ist hierfür erforderlich.

Fazit: Das BFH-Urteil verdeutlicht das hohe Haftungsrisiko für Unternehmen beim Ausstellen von Dokumenten mit ausgewiesener Umsatzsteuer außerhalb klassischer Leistungserbringung. Seien Sie besonders vorsichtig in Fällen, wo Sie Zahlungen für Dritte verwalten und Dokumente erstellen, die an Rechnungen erinnern. Klären Sie im Zweifel vorab mit Ihrem Steuerberater, welche Angaben in solchen Dokumenten zulässig sind.
Quelle: BFH Beschluss vom 19.3.2025 (Az.: XI R 4/22)
Einkommensteuer und persönliche Vorsorge
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit seinem Urteil vom 29. April 2025 die Voraussetzungen für den Abzug von Werbungskosten bei doppelter Haushaltsführung präzisiert. Im Fokus stand die Frage, ob ein Ein-Personen-Haushalt am Ort des Lebensmittelpunkts als eigener Hausstand im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG anzusehen ist.
Im konkreten Fall nutzte der Kläger unbezahlten Wohnraum im Obergeschoss des Elternhauses und führte dort einen eigenen Haushalt. Das Finanzgericht München hatte zunächst entschieden, dass er keinen eigenen Hausstand unterhalte, weil er in den elterlichen Hausstand eingegliedert sei. Der BFH hob diese Entscheidung nun auf und verwies den Fall zurück.
Der BFH stellte klar, dass auch eine unentgeltliche Überlassung von Räumlichkeiten durch Eltern an ihre Kinder ein eigener Hausstand sein kann, wenn die Räumlichkeiten hinsichtlich Größe und Ausstattung eigenständiges Wohnen und Wirtschaften ermöglichen. Für das Vorliegen eines eigenen Hausstands ist nicht entscheidend, ob ein Mietverhältnis besteht oder ob die Wohnung baulich von anderen Bereichen getrennt ist.
Wichtig ist auch, dass bei einem Ein-Personen-Haushalt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten der Lebensführung grundsätzlich nicht stellt, da diese Kosten von der eine Person getragen werden. Das Gericht betonte, dass die persönliche Lebenssituation, das Alter und die Eigenständigkeit des Steuerpflichtigen zur Bewertung heranzuziehen sind.
Dieses Urteil stärkt die steuerlichen Möglichkeiten von Steuerpflichtigen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung am Lebensmittelpunkt bereits einen eigenen Haushalt führen, auch wenn dieser im Elternhaus liegt und keine Mietzahlungen anfallen. Die Entscheidung bringt mehr Klarheit bei der Abgrenzung des eigenen Hausstands und dürfte insbesondere für junge Berufstätige und Studierende bedeutend sein.
Das Urteil wurde am 31. Juli 2025 veröffentlicht.
Quellen: BFH-Urteil vom 29.4.2025 (Az. VI R 12/23)
Vorweggenommene Aufwendungen für die eigene Bestattung sind keine außergewöhnlichen Belastungen, entschied das FG Münster (Urteil vom 23. Juni 2025 – 10 K 1483/24 E).
Im Urteilsfall hatte ein Mann einen Bestattungs-Treuhandvertrag über 6.500 EUR abgeschlossen und wollte die hierfür angefallenen Kosten als außergewöhnliche Belastungen geltend machen. Als Grund führte er an, dass die Übernahme der Beerdigungskosten durch Erben zu außergewöhnlichen Belastungen führen könne und daher auch die eigene Vorsorge zu Lebzeiten steuerlich abziehbar sein müsse. Denn durch diese Vorsorge blieben den Angehörigen die Beerdigungskosten erspart.
Das Finanzgereicht Münster ist dieser Argumentation jedoch nicht gefolgt. Eine Bestattungsvorsorge sei keine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG, da es an der Zwangsläufigkeit der Kosten fehlt. Dem Steuerpflichtigen seien durch die persönliche Vorsorge keine zwangsläufig höheren Aufwendungen entstanden als der Mehrheit der Steuerpflichtigen mit vergleichbarem Einkommen, Vermögen und Familienstand. Vielmehr betont das Gericht, dass der eigene Tod und die damit verbundene Bestattung grundsätzlich jede Person beträfe.
Nicht vergleichbar sei die Vorsorge für die eigene Bestattung mit den Aufwendungen für die Beerdigung naher Angehöriger. Nicht jeder müsse im Laufe seines Lebens die Bestattung eines Angehörigen finanzieren. Solche Kosten träfen somit nicht alle Steuerpflichtigen gleichermaßen. Dadurch, dass der Steuerpflichtige im Urteilsfall auf freiwilliger Basis eine persönliche Vorsorge getroffen hat, ist keine Zwangsläufigkeit gegeben. Es bestehe insbesondere keine rechtliche, tatsächliche oder sittliche Pflicht zur Vorsorge für die eigene Bestattung.
Für Bauherren und Vermieter
Ab dem 6. August 2025 können Freistellungsbescheinigungen für Bauleistungen gemäß § 48b Einkommensteuergesetz (EStG) nicht mehr sofort ausgestellt und direkt an die Antragstellenden übergeben werden.
Grund hierfür ist die Einführung des bundesweiten KONSENS-Verfahrens ELFE – Freistellungsbescheinigung für Bauleistungen (EIBE-FsB).
Zukünftig erfolgt die Bearbeitung der Anträge ausschließlich maschinell. Dabei wird automatisch eine sogenannte Vordatierungsfrist von in der Regel drei Kalendertagen berücksichtigt. Fällt das Ende dieser Frist auf einen Sonn- oder Feiertag, wird der jeweils nächstfolgende Werktag als Ausstellungsdatum der Bescheinigung festgelegt. Der Versand der Freistellungsbescheinigung erfolgt in der Regel zentral per Post.
Die bisherige Möglichkeit, eine Freistellungsbescheinigung bei persönlicher Vorsprache unmittelbar vor Ort zu erhalten, entfällt mit der Einführung des neuen Systems vollständig. Antragstellende sollten deshalb ihre Anträge künftig rechtzeitig einreichen, insbesondere wenn bestimmte Abgabetermine bei Auftraggebern einzuhalten sind.
Diese Änderung soll sowohl die Bearbeitungsqualität steigern als auch die Sicherheit und Nachvollziehbarkeit verbessern. Alle betroffenen Unternehmen und Unternehmer sind gut beraten, sich frühzeitig um die Ausstellung ihrer Freistellungsbescheinigung zu kümmern.
Quelle: Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern, PM vom 1.8.2025
Für Heilberufe
Der BFH hat mit Urteil vom 14. Mai 2025 – XI R 24/23 entschieden, dass der ärztliche Notfalldienst auch dann von der Umsatzsteuer befreit ist, wenn ein Arzt den Dienst nur vertretungsweise gegen ein Entgelt übernimmt.
Bei der Übernahme ärztlicher Notfalldienste gegen Entgelt durch einen anderen Arzt handelt es sich um eine Heilbehandlung im Sinne des § 4 Nr. 14a UstG. Es wird sichergestellt, dass die Versorgung von Patientinnen und Patienten im Einsatzgebiet gewährleistet ist, auch wenn die reguläre ärztliche Versorgung nicht stattfinde.
Unerheblich für die Umsatzsteuerbefreiung ist, ob und in welchem Umfang der Notfalldienst in Anspruch genommen wird. Nach der Auffassung des BFH gilt die Umsatzsteuerbefreiung für Notfalldienste eines Vertreters und für Notfalldienste der von der Krankenversicherung dafür eingeteilten Ärzte gleichermaßen.
Mit der nun neuen Entscheidung des BFH wird in Deutschland eine flächendeckende, einheitliche Regelung geschaffen. Es kommt nicht mehr auf die erheblichen regionalen Unterschiede in der Organisation der Vertretung bei Notfalldiensten durch die jeweils zuständige Krankenversicherung an.
Quelle: BFH-Urteil vom 14.5.2025 – XI R 24/23
Für Sparer und Kapitalanleger
Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied am 27. November 2024, dass ein Darlehen für den Kauf oder Bau einer Wohnung auch dann als „unmittelbar“ verwendet gilt, wenn es ursprünglich für eine andere Immobilie aufgenommen und später für ein neues, selbstgenutztes Haus umgewidmet wurde. Damit kann Altersvorsorgekapital auch zur Ablösung eines solchen Darlehens genutzt werden, ohne die steuerliche Förderung zu verlieren. Das Gericht hob eine entgegenstehende Entscheidung des Finanzgerichts auf und stellte klar, dass Umschuldungen unter diesen Voraussetzungen zulässig sind. Die Entscheidung bringt wichtige Klarheit zur steuerlichen Behandlung von umgewidmeten Immobilienfinanzierungen mit Altersvorsorgevermögen.
Quelle: Bundesfinanzhof, Az. X R 24/23
Lesezeichen
Insbesondere aufgrund der Einführung der obligatorischen elektronischen Rechnung bei Umsätzen zwischen inländischen Unternehmern seit dem 1. Januar 2025 ergibt sich an verschiedenen Stellen Änderungsbedarf bei den GoBD: https://www.tinyurl.com/3rmz2n7b
Aktuelle Steuertermine
Lohnsteuer, Umsatzsteuer
10.09.2025 (15.09.2025*)

Fälligkeit der Beiträge zur Sozialversicherung:
24.09.2025 (Beitragsnachweis)
26.09.2025 (Beitragszahlung)

Zur Wahrung der Frist muss der Beitragsnachweis am Vortag bis spätestens 24.00 Uhr eingereicht sein.
* Ende der Schonfrist bei Zahlung durch Überweisung in Klammern.